Unsicherheit und Orientierungslosigkeit prägten das Lebensgefühl der Menschen in der Barockzeit. Man ging davon aus, dass nichts von Bestand und alles vergänglich war. Dies begründete einerseits eine tiefe Religiosität, andererseits beim Adel aber auch eine Verschwendungssucht. Man wollte das Leben genießen solange es andauerte. Die Vergänglichkeit allen Lebens und Schaffens war den Menschen bewusst und wurde auch in der Literatur reflektiert. Im Gedicht „Einsamkeit“ von Andreas Gyphius tauchen genau diese Merkmale auf. In der ersten Strophe wird ein einsames, naturbelassenes Gebiet beschrieben.
In der zweiten Strophe legt der Erzähler, abseits der Gesellschaft, seine Ansichten über die Lebensweise der Menschen dar. In der dritten Strophe handelt es sich um die Vergänlichkeit aller Dinger und in der vierten Strophe wird der Glaube an Gott als Ausweg aus der Vergänglichkeit beschrieben. Das Gedicht folgt dem Aufbau eines Sonetts, welches aus zwei Quartetten und zwei Terzetten besteht und in Alexandrinern verfasst ist. In den ersten beiden Strophen sind umarmende Reime (Vers 1 und 4) und Paarreime (Vers 2 und 3) zu finden. Die Antithetik zwischen der Diesseitsorientierung des Adels und der Erkenntnis, dass alles vergänglich ist, veranschaulicht den Zwiespalt des barocken Lebensgefühls. Im ersten Terzett wird der Leitgedanke der Vergänglichkeit allen Seins erneut aufgegriffen und vertieft. Es beginnt mit einer Kumulation: „Die Höhl, der raue Wald, der Totenkopf, der Stein“ (Vers 9).
Die Aufreihung karger, beunruhigender Gegenstände illustriert das „Memento mori“ Motiv. Die Höhle ist dunkel und es ist schwer, sich in ihr zu orientieren. Der „Totenkopf“ ist ein Symbol des Todes. „Die abgezehrten Bein“ (Vers 10) beschreiben ein Skelett, welches als einziger Überrest eines verstorbenen Menschen wiederum auf den Tod und die Vergänglichkeit hinweist. Im genauen Gegensatz zur von Pessimismus geprägten dritten Strophe steht die vierte Strophe des Gedichts. Hier begreift das lyrische Ich, dass „alles, ohn ein Geist, den Gott selbst hält, muss wanken.“ Nur Menschen, die von Gott gesegnet sind, haben Aussicht auf ein Leben nach dem Tod.
Der Erzähler erkennt, dass einzig Gott ewig und unvergänglich ist und nur der Glaube einen Ausweg aus der Vergänglichkeit weist. Der Titel des Gedichts, „Einsamkeit“, weist darauf hin, dass der Erzähler erst durch die Abgeschiedenheit von der Gesellschaft und dem luxeriösen Lebensstil der Adligen begreifen kann, dass einzig der Glaube an Gott wichtig ist. Das Sonett ist ein Beispiel für das Lebensgefühl der Menschen in der Barockzeit. Es greift vor allem den Leitgedanken der Vergänglichkeit auf, zeigt anders als viele andere Barockgedichte am Ende jedoch den Ausweg der Erlösung durch Gott auf.